Brustkrebsvorsorge schon immer auch umstritten:
Aktuell BILD.de vom 7. Aug.07:
Wissenschaftler
warnen: Falsche Brustkrebsdiagnose macht Frauen krank!
Diagnose Brustkrebs – ein Schock für die Betroffenen!
Sogar, wenn sich später herausstellt, dass der Befund falsch war…
Jede vierte Frau erhält bei der Brustkrebsvorsorge einmal in 20 Jahren
ein falsches positives Ergebnis! Das kann sich negativ auf die Gesundheit
auswirken. Die Folgen: Angst, Schlafstörungen und ein beeinträchtigtes
Sexualleben.
Forscher der Universität Kopenhagen haben jetzt untersucht, wie sich
ein auffälliges Resultat der Mammographie (Brustkrebs-Screening) auf
das Leben der Betroffenen auswirkt.
Die Wissenschaftler verglichen 184 Frauen mit ungewöhnlichem Befund mit
240 Frauen, deren Ergebnis unauffällig war. Dabei konzentrierten sie
sich auf sechs verschiedene Bereiche, die im Ergebnis alle negativ beeinflusst
wurden: Angstgefühl, Verhaltensdruck, Niedergeschlagenheit, Schlaf, die
Untersuchung der eigenen Brust und die Sexualität.
Untersuchungsleiter John Brodersen: „Tausende Frauen erleben fälschlich-positive
Screening-Resultate. Wir wissen, dass falscher Brustkrebs-Alarm deutlichen
psychologischen Schaden anrichtet.“ Vor der Untersuchung sollten Frauen
sowohl auf die Folgen einer fälschlich-positiven Diagnose als auch auf
den Nutzen der Früherkennung hingewiesen werden.
Das Brustkrebs-Screening (Mammographie) zählt zu den wichtigsten Früherkennungsmaßnahmen
gegen Tumore und wird von der EU alle zwei Jahre empfohlen.
stern-Artikel aus Heft 50/2006
Früherkennungs-Untersuchungen
"Mehr Schaden als Nutzen"
Prof. Dr. Ingrid Mühlhauser lehrt Gesundheitswissenschaften an der Universität
Hamburg: "Der Schaden liegt darin, dass ein Patient mit der Angst und
mit den Unannehmlichkeiten leben muss, die mit einer Krebsdiagnose verbunden
sind"
Die Politik plant Sanktionen gegen Patienten, die Früherkennungs-Untersuchungen
meiden. Zu Unrecht, sagt Expertin Ingrid Mühlhauser: Vieles sei modernes
Schamanentum, womöglich eher schädlich als nützlich.
Frau Mühlhauser, wenn die Gesundheitsreform wie geplant in Kraft tritt,
soll jeder künftig zur Vorsorgeuntersuchung. Wer sich weigert, riskiert
höhere Zuzahlungen. Ein gutes Vorhaben?
Diesen Teil des Gesetzes halte ich für gar nicht sinnvoll. Bei den meisten
Früherkennungsuntersuchungen weiß man heute nicht genau, ob sie
nützlich sind. Dazu richten insbesondere Krebsuntersuchungen bei gesunden
Menschen oft mehr Schaden an, als sie nützen, sodass dem Einzelnen zumindest
offenstehen muss, sich nach gründlicher Information zu entscheiden, ob
er an einer Untersuchung teilnehmen will oder nicht.
Die Untersuchungen schaden?
Ja: Viele erhalten eine Diagnose, die sie ohne Früherkennungsuntersuchungen
nie bekommen hätten, eine sogenannte Überdiagnose.
Sie meinen: Wenn der Arzt sagt, man hat Krebs, und es stimmt gar nicht?
Es kann sein, dass man Krebszellen findet, die sich aber niemals bemerkbar
machen. Viele Menschen tragen Krebszellen in sich, die nie zum Problem werden.
Wie oft werden Fehldiagnosen gestellt?
Das hängt von der Krebsart ab - und von der Untersuchungsmethode. Bei
der Brustkrebs-Früherkennung muss man davon ausgehen, dass mindestens
30 von 100 Diagnosen Überdiagnosen sind. Frauen wird ein Krebs attestiert,
der nie zum Problem werden würde. Sie können heute beim Brustkrebs-Screening
nie sagen, ob das jetzt Krebszellen sind, die behandlungsbedürftig sind,
oder solche, die nichts machen. Dies unterscheiden zu können wäre
ein großer Fortschritt in der Medizin. Dann würde sich die Frage
der Prävention anders stellen.
Kann man nicht sagen: Lieber dreimal einen Krebs zu viel diagnostiziert und
dafür beim vierten Mal einen Treffer?
Der Schaden liegt darin, dass ein Patient mit der Angst und mit den Unannehmlichkeiten
leben muss, die mit einer Krebsdiagnose verbunden sind. Im Brustkrebsfall
wird die Frau behandelt, sie wird operiert und bekommt eine Strahlentherapie,
vielleicht gar eine Chemotherapie. Man kann den Knoten herausnehmen, manche
Frauen wollen aber lieber gleich die ganze Brust abnehmen lassen. Das sind
ja alles keine kleinen Eingriffe.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagt, durch die Früherkennung
würden jährlich über 30.000 Todesfälle verhindert.
Wie er auf diese Zahlen kommt, ist mir unverständlich. Fürs Brustkrebs-Screening
können wir es genau sagen: Wenn 2000 Frauen zehn Jahre lang zum Screening
gehen, stirbt in dieser Gruppe eine Frau weniger an Brustkrebs.
Eine von 2000 Frauen?
Ja, und zwar über zehn Jahre! Rechnerisch gibt es in der Gruppe der 2000
Frauen keine Lebensverlängerung durch das Brustkrebs-Screening. Wir haben
die Zahlen für die Altersgruppe, die zum Screening soll, auf ganz Deutschland
hochgerechnet, auf ungefähr zehn Millionen Frauen. Danach sind es jährlich
500 Frauen, die nicht an Brustkrebs sterben würden. Dem gegenüber
stehen 5000 Frauen mit Überdiagnosen, die eine Krebskrankheit diagnostiziert
bekommen, die sich sonst nie bemerkbar gemacht hätte. Weitere 200.000
Frauen jährlich müssen mit einem Verdachtsbefund rechnen, der weiter
abgeklärt werden muss, bis es Entwarnung gibt.
Warum will die Politik die Menschen zu massenhafter Prävention
zwingen?
Wir haben alle Angst vor Krebs, das ist ein Riesengespenst. Aus meiner Sicht
sind Früherkennungsuntersuchungen Rituale, um mit dieser Angst umzugehen.
Dabei wird aber unehrlich informiert: Die Daten, die den Nutzen von Prävention
belegen sollen, sind meist irreführend. Einer der häufigsten Trugschlüsse
ist der Glaube, dass man durch die Untersuchung eine Krebserkrankung vermeiden
kann.
Beflügelt dies nicht auch die Vorstellung, dass man selbst schuld ist
an seiner Krankheit: Wer keine Prävention treibt, wird durch höhere
Zuzahlung bestraft?
Der Gedanke, Menschen zu bestrafen, wenn sie sich nicht wohlerzogen verhalten,
kommt immer wieder auf. Jetzt wird es allerdings ernster als bisher. Das Wiener
Brustkrebs-Screening stand unter dem Slogan "Die Klügere sieht nach
- Mammographie beruhigt". Das Gegenteil ist richtig. Frauen können
grundsätzlich sehr beruhigt sein, weil Brustkrebs, auch wenn man immer
wieder das Gegenteil hört, eigentlich selten ist. Nur bei 8 von 1000
Frauen entdeckt man im Screening Krebszellen.
Würden Sie Frauen also davon abraten, zum Brustkrebs-Screening
zu gehen?
Man muss die Frauen über Chancen und Fehlerquellen aufklären, dann
kann jede selbst entscheiden. Auf der anderen Seite denke ich, dass das Geld
nicht gut angelegt ist, solange wir keine Methode haben, tatsächlich
den schädlichen Krebs zu entdecken. Ellis Huber, der frühere Präsident
der Berliner Ärztekammer, hat gesagt, ihn erinnerten die massenhaften
Früherkennungsuntersuchungen an eine moderne Art des Exorzismus.
Man glaubt, so die Krankheit austreiben zu können?
Dieses Gefühl, "Ich habe alles getan", beruhigt. Die Menschen
wollen sich selber sagen können, ich tue etwas für meine Gesundheit,
und wenn ich jetzt wirklich krank werde, dann ist es nicht meine Schuld gewesen.
Ist das Screening auch bei anderen Krebsarten bedenklich?
Für das Darmkrebs-Screening gibt es drei große Studien, die zeigen,
dass die Situation ähnlich ist wie beim Brustkrebs-Screening: Sie müssen
1000 Menschen zehn Jahre lang zum Screening schicken, um zu erreichen, dass
einer weniger an Darmkrebs stirbt. Gleichzeitig sterben aber ungefähr
55 von diesen 1000 Personen an anderen Krebsarten, und 200 sterben sowieso
in dieser Zeit.
Dennoch wird auch die Darmspiegelung von den Krankenkassen massiv
propagiert, selbst Harald Schmidt wirbt dafür ...
Ja, Schmidt, Schumacher und eine ganze Menge anderer Prominenter. Dabei wissen
wir auch beim Darmkrebs-Screening nicht genau, ob es letztlich mehr nutzt
als schadet. Vor einer solchen Untersuchung muss der Darm schließlich
gut gereinigt werden. Wenn Sie jung und gesund sind, halten Sie das gut aus.
Aber Leute mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen kann diese Prozedur sehr schwächen.
Während der Darmspiegelung erhalten 80 Prozent Beruhigungs- oder schmerzstillende
Medikamente. Sie verlassen die Praxis kurz nach der Untersuchung, bekommen
später aber womöglich einen Herzinfarkt. Oder bauen einen Unfall,
weil die Beruhigungsmittel noch wirken. Oder ältere Leute stürzen
und brechen sich die Hüfte. Wenn nur drei oder vier von tausend so eine
Komplikation erleiden, ist statistisch gesehen der Vorteil der Darmspiegelung
dahin. Vor dem Hintergrund des minimalen Nutzens und des doch erheblichen
Schadens und auch finanziellen Aufwandes finde ich die Pflicht zur Prävention
unethisch.
Ein Auswuchs deutschen Perfektionismus?
Das "British Medical Journal" brachte die Nachricht über das
Gesetz unter der Überschrift: "Deutschland will Krebspatienten bestrafen".
Es wäre gut, wenn wir ehrlicher miteinander umgehen und sagen, was Medizin
wirklich leisten kann.
Ärzte propagieren die Untersuchungen.
Die überschätzen das völlig, aber sie wissen es nicht besser
oder haben Interessenskonflikte. Wenn die Ärzte kritischer wären,
gäbe es diesen Mythos Prävention nicht in dem Maße.
Wofür sollte man das Geld lieber ausgeben?
Wenn wir wirklich wollen, dass die Menschen gesund bleiben und alt werden
ohne Krankheiten, muss das Geld nicht in die Medizin investiert werden, sondern
in bessere soziale Bedingungen. Krankheit ist ein Schichtproblem: Wer arm
ist, wird öfter krank und stirbt früher. Die Lebensbedingungen müssen
verbessert werden, die Bedingungen, unter denen Kinder aufwachsen.
Oft heißt es, die Unterschicht habe falsche, krank machende
Lebensgewohnheiten.
In den Unterschichten findet man sehr viel mehr Menschen mit Übergewicht.
Sie bewegen sich weniger, haben dadurch mehr Begleiterkrankungen wie Diabetes
oder Bluthochdruck. Aber die Frage ist, ob das durch medizinische Interventionen
verhindert werden kann. Ich glaube, das wird nicht funktionieren. Solange
die Menschen eben arbeitslos sind und kein Geld haben, um mit ihrer Freizeit
auch etwas Nettes zu machen, nämlich mal nach Davos zum Skifahren zu
gehen, schön teuer im Hotel zu wohnen, haben sie auch eine andere Lebenserwartung
als die Oberschicht. Es bleibt ihnen ja oft gar nichts anderes übrig,
als vorm Fernseher zu sitzen, und die Folgen davon sind Übergewicht und
Raucherlungen.
Zur Prävention gehört angeblich auch die Ernährung.
Weiß man eigentlich, was gesunde Ernährung ist?
Es gibt eine große Studie aus den USA mit 50.000 Frauen. Die eine Hälfte
hat sich bemüht, sich an alle guten Ratschläge zu halten, zum Beispiel
fünfmal am Tag Obst und Gemüse zu essen, sich ballaststoffreich
und fettarm zu ernähren. Das Problem war: Nach acht Jahren gab es keine
Unterschiede zwischen beiden Gruppen. Weder haben bei der Hälfte mit
der gesunden Ernährung die Herz-Kreislauf-Erkrankungen abgenommen noch
Darmkrebs oder Brustkrebs. Die Lebenserwartung war aufs Komma genau gleich
zwischen den beiden Gruppen.
Also gilt auch beim Essen: Wir wissen, dass wir nichts wissen?
Wir wissen sehr viel, zum Beispiel dass 50-Jährige trotz intensiver Diätberatung
und Umstellung der Ernährung weder das Leben verlängern noch Krankheiten
verhüten können. Das ist eigentlich ein erheblicher Wissenszuwachs,
den wir da haben.
Hinter dem Hype um Prävention wie hinter dem Gesund-essen-Hype steht
der Wunsch, Krankheiten zu vermeiden, länger zu leben.
Ich glaube, dass sich da archaische Rituale widerspiegeln. Ganz viel in unserer
modernen Medizin heute ist Voodoo. Wir denken, wir seien besonders aufgeklärt,
weil Medizin im Operationssaal abläuft und die Ärzte nicht bemalt
sind und mit Federn da stehen, sondern in grünen Gewändern. Aber
letztlich ist vieles modernes Schamanentum.
Interview: Markus Grill, Christoph Koch
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Mammographie-Screening: Chance oder Risiko?
Jede Frau zwischen 50 und 69, die in Nordrhein-Westfalen wohnt, bekommt
demnächst Post. Absender: Das Mammographie-Screening-Programm der örtlichen
Kassenärztlichen Vereinigung. Mit diesem Brief wird jede zu einer Mammographie
aufgefordert, also einer Röntgenaufnahme der Brust. Dieser Service ist
kostenlos, nicht mal 10 Euro Praxisgebühr fallen an. Und in Zukunft sollen
diese Untersuchungen alle zwei Jahre wiederholt werden. Das Ziel: die Früherkennung
von Brustkrebs und das Senken der Sterblichkeit unter den betroffenen Frauen.
Dieser Aufruf scheint mehr als berechtigt. Schließlich – so steht
es auch im Brief – bekommt jede zehnte Frau irgendwann Brustkrebs. Was
die Frauen meist nicht wissen: Der Sinn des Massenröntgens ist unter
Experten umstritten. Und auch der Weg, wie man die Frauen darüber aufklärt.Tricks
mit der Statistik
Es fängt schon mit der Einladung zum Screening an. „Zehn Prozent
bekommen Brustkrebs“ lautet die Formel, die keine Frau so schnell vergisst.
Doch tatsächlich trifft die Zahl statistisch nur auf gerade geborene
Mädchen zu, die noch 80 Jahre lang leben und an keiner anderen Krankheit
sterben werden. Von ihnen wird tatsächlich jede Zehnte irgendwann betroffen
sein. Doch diese Angabe ist für die Entscheidung für oder gegen
die Teilnahme an der Mammographie ohne Bedeutung. Denn wichtig ist zu
wissen, dass die Mammographie an dem Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, gar
nichts ändern kann. Sie ist also keine Vorsorge, denn die Mammographie
verhindert keinen Krebs, sie soll ihn lediglich früher entdecken, damit
wenigstens die Heilungschancen steigen. Viele Frauen verwechseln aber Vorsorge
und Früherkennung, wie Befragungen in der Schweiz gezeigt haben.
Hinzu kommt, dass auch das Risiko, zu einem bestimmten Zeitpunkt erkrankt
zu sein, ohne es zu wissen, aus Sicht einer Frau nur ein Bruchteil des lebenslangen
Risikos beträgt. Von 1000 Frau im Alter von 60 erkranken nur etwa fünf
innerhalb eines Früherkennungs-Intervalls von zwei Jahren. Oder anders
ausgedrückt: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,5 Prozent hat eine Frau
in diesem Alter keinen entdeckbaren Brustkrebs.Mammographie ist nicht ohne
Fehler
Oft stellt sich ein anfänglicher Krebsverdacht als Fehlalarm
heraus
Schon jetzt lassen viele Frauen regelmäßig eine Mammographie machen,
weil sie sicher sein wollen, dass „alles in Ordnung“ ist. Doch
Vorsicht: Die Mammographie ist nicht fehlerfrei. Zahlen aus den Niederlanden,
wo schon seit Jahren Brustkrebs-Früherkennung angeboten wird, zeigen:
Ein Drittel der Tumore werden zwischen zwei Untersuchungen entdeckt, also
beim Röntgen selbst übersehen. Eine Frau kann sich also auch nach
einer unauffälligen Mammographie nicht sicher sein, dass nicht doch ein
Tumor heranwächst. Das Risiko ist zwar kleiner, aber immer noch nicht
Null.
Und es gibt einen zweiten Schwachpunkt: Viele Frauen werden durch die Untersuchung
mit einem falschen Alarm konfrontiert. Nehmen wir 1000 Frauen, die zehn Jahre
lang zur Mammographie gehen, das sind fünf Untersuchungen bei jeder Frau.
Im Laufe der Zeit wird bei rund 200 von ihnen eine „Auffälligkeit“
entdeckt – mit anderen Worten: ein Krebsverdacht. Das bedeutet zunächst
einen Schock. Und es müssen daraufhin weitere Untersuchung folgen. Bei
rund 40 bis 50 Frauen erhärtet sich der Verdacht erst einmal weiter,
so dass die Ärzte eine sogenannte Biopsie veranlassen. An den verdächtigen
Stellen wird aus der Brust eine Gewebeproben entnommen. Keine angenehme Prozedur.
In vielen Fällen haben sich zudem die Patientinnen umsonst Sorgen gemacht.
Denn schließlich lautet der Befund nur bei rund der Hälfte aller
Biopsierten tatsächlich „Krebs“. Also nur in etwa 20 von
200 Verdachtsfällen bewahrheitet sich die nach dem Röntgen aufgeworfene
Krebsvermutung.Ernüchternde Bilanz des Screenings
Aber immerhin: Das Ziel scheint damit erreicht, Krebsfälle sind entdeckt
worden. Wichtig ist, sich darüber im Klaren zu sein, dass auch diese
Diagnose keine Garantie für Heilung bietet. Die Zahlen sehen so aus:
Wenn 1000 Frauen zur Mammographie gehen und Krebs dadurch früh entdeckt
wird, werden trotzdem sechs im Laufe von zehn Jahren daran sterben. Gehen
alle diese Frauen nicht zur Mammographie, sterben acht, wie mittlerweile mehrere
Studien belegt haben. Also haben nur zwei von 1000 Frauen einen echten Nutzen.
Zur Erinnerung: 200 werden in dieser Zeit mit der zumeist falschen Diagnose
„Krebsverdacht“ konfrontiert. Diese Frauen erleben zumindest eine
vorübergehende negative Beeinträchtigung durch die Untersuchung.Früh
erkannt, Gefahr gebannt?
Trotz Früherkennung ist mancher Krebs unheilbar
Dass ein Screening so wenig bewirkt, liegt in der Biologie des Brustkrebses
begründet. Denn ein Teil der Tumore ist äußerst aggressiv.
Selbst wenn sie beim Screening in einem scheinbar frühen Stadium entdeckt
werden, haben sie schon Metastasen gebildet. Das Screening bewirkt dann nur
eines: Die betroffenen Frauen wissen länger um ihren Krebs. Ihr Leben
verlängert sich dagegen um keinen Tag.
Derzeit streiten Experten außerdem darüber, wie oft bei der Mammographie
kleine Knoten gefunden werden, die ohne Früherkennung nie aufgefallen
wären, weil sie extrem langsam wachsen. Wenn solche Knoten gefunden werden,
lösen sie eine folgenschwere Krebsdiagnose aus, von der die Frau ansonsten
nie betroffen worden wäre. Auch das ist ein Schaden.Gehen oder nicht
gehen?
Bei näherer Betrachtung ist die Mammographie also eine Frage der Abwägung.
Auf der einen Seite gibt es Frauen, die dank der Mammographie geheilt werden
können, also nicht an Brustkrebs sterben. Auf der anderen Seite stehen
Frauen, die durchaus schwerwiegende Schäden durch die Untersuchung erleiden.
Welches Argument stärker wiegt, kann nur jede Frau für sich selbst
entscheiden. Wichtig ist, dass mit der Einladung zur Mammographie keinerlei
Druck oder Verpflichtung verbunden ist. Auch wenn Ihnen ein Termin zu schnell
kommt, können Sie jederzeit einen anderen vereinbaren.
Impulse für die Qualität der Mammographie
Wer sich für eine Mammographie entscheidet, für den ist das Früherkennungsprogramm
jedoch ein ernstzunehmendes Angebot. Denn die Voraussetzung dafür, dass
die Mammographie überhaupt ihren Zweck erfüllen kann, nämlich
einen gefährlichen Krebs entdecken, bevor er ein tödliches Stadium
erreicht hat, ist dass die Röntgenärzte möglichst wenig Fehler
machen. Tatsächlich sind die am Mammographie-Programm beteiligten Radiologen
besonders gut ausgebildet. Auch die Röntgengeräte werden streng
überwacht, so dass die Strahlenbelastung möglichst klein bleibt.
Und auch bei der Therapie sollen die Standards strenger kontrolliert werden.
Für die Qualität der Mammographie in Deutschland insgesamt gibt
das Programm daher durchaus Impulse.
Autor: Thomas Liesen